Walter Kempowski über Haus Kreienhoop

Das Haus entstand genauso, wie ich es mir vorgestellt hatte, ein wenig Höhle, ein bißchen Gutshaus, Schule und Kloster.

Refugium, Dichterwerkstatt, Archiv, Bibliothek und literarische Bühne

Haus Kreienhoop ist von der Straße aus kaum zu erkennen – so verwunschen liegt es in dem großen Naturgarten, zwischen Feldern und Wiesen, gebaut in die weite Moorlandschaft mit Birkenwäldchen am flachen Horizont. Gelegen am Rand des kleinen Dorfes Nartum bei Bremen, zeigt sich hier der kühle Charme Norddeutschlands rau und unverfälscht.
Walter Kempowski hat sein Haus selbst entworfen und in mehreren Bauabschnitten verwirklicht. Es offenbart die schillernde Innenwelt des Künstlers und zeigt dabei eine beeindruckende Außenwirkung. Entstanden ist ein Ort voller Überraschungen – mit Innenhof, Saal, Pavillon und Turm, mit Büchergängen, Arbeitskabinetten, „Lotterecke“ und Veranda. Der weitläufige Garten mit Laube und Allee ist gewachsene Natur, gleichzeitig aber auch Nutzgelände mit Obstbäumen, Hühnerstall und Schafsweide.

Am Abend kamen zwölf Stühle und ein weißer Tisch für die Veranda. „Das sieht echt klasse aus“, sagte Simone, und auch Hildegard war hingerissen. Merkwürdigerweise interessiert mich „Besitz“ nicht. Mir macht es Spaß, dieses Haus immer besser für die zukünftige Arbeit einzurichten. Denn das Eigentliche kommt ja erst noch.
Hamit – Tagebuch 1990, 2006

Sowtschick seinerseits referierte die Kaufstory des Brunnens, der sei nicht etwa aus Beton gegossen, den habe er in Italien gekauft, in einer Seitenstraße eines kleinen Städtchens: ein richtiger Steinmetz, mit der Hand, tick-tick-tick. Und daß der Transport mehr gekostet habe als der ganze Appandrillo, und sie sollten mal hören, der könne sprechen! Der flüstere delphische Orakel in die Gegend. Wenn sie lange genug hier wären, könnten sie ihn verstehen.
Hundstage, 1988

 

Ein Haus zum Leben und Arbeiten

 

Haus Kreienhoop scheint auf den ersten Blick ein Labyrinth. Schnell jedoch erschließt sich dem Besucher die Kreuzgangarchitektur, die dem Anwesen zugrunde liegt. Hier hat Walter Kempowski gelebt und gearbeitet, hier war das Archiv für unpublizierte Autobiographien untergebracht und hier veranstaltete der Hausherr Literaturseminare, Tagungen und Autorentreffen.
Walter Kempowski bezeichnete sein Domizil als „Sonnenbündelungshaus“, als „Raumstation“ und „Museum“. In dem Roman „Hundstage“ ist das „Kreienhoopwunder“ als Haus des Schriftstellers Alexander Sowtschick selbst in die Literaturgeschichte eingegangen – nur den Schwimmgang sucht man im realen Kreienhoop vergebens…

Nach langem Hin und Her habe ich mich nun doch entschlossen, den Turm zu bauen. Er ist als das männliche Gegenstück zu Hildegards Pavillon gedacht. Ich habe den Auftrag heute früh definitiv erteilt, und zwar nicht für die sechseckige Holzkonstruktion, sondern für die ursprünglich geplante runde Ausführung in Stein. Er soll keine Fenster haben, außer einigen Buntglasfenstern. Das Licht wird, wie es sich gehört, von oben durch eine Kuppel kommen, die man elektrisch öffnen und schließen kann. Den Einbau von Aquarien ringsherum habe ich fallenlassen, schweren Herzens. Die alte Idee aus Bautzen! Das würde auf die Dauer zu viel Arbeit machen. Außerdem sollte man Lebewesen nicht als Dekoration verwenden. Was man mit Blumen so alles macht, ist schon schlimm genug.
Sirius – Eine Art Tagebuch, 1990